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In einer sich ständig wandelnden Gesellschaft und Wirtschaft stellt sich die Frage, ob klassische Führungskräfte in hierarchisch aufgebauten Organisationen noch relevant sind oder ob diese Positionen aussterben. Heutzutage werden andere Fähigkeiten und Qualitäten gesucht, die es in den Strukturen vergangener Jahrzehnte nicht gab. Die Lösungen liegen heute nicht mehr allein in den Händen von Einzelpersonen, sondern können durch Teamarbeit von höherer Qualität sein.

In dieser Blog-Reihe zu Führung und Führungskräften wollen wir einen Blick auf die Unternehmenskultur, die Führungskultur und die Auswirkungen auf Mitarbeitende und Unternehmen richten. Was können wir aus der Vergangenheit lernen und welche Faktoren sind für die Zukunft wichtig? Welche Fragen müssen sich Unternehmer*innen stellen, wenn sie sich ihre Unternehmens- und Führungskultur anschauen und verändern wollen?

Ich bin Sönke und teile meine Sichtweise und Learnings mit dir, die durch viele Jahre Erfahrung als Führungskraft geprägt sind.

Warum sind Führungskräfte heute und morgen entscheidender als früher? – eine Reihe zu Herausforderungen, zukünftigen Aufgaben, Fuck-ups und dem Stellenwert von Führungskräften

Teil 1: Fuck-ups von Führungskräften

Die Zahlen sprechen für sich:

  • 79 % der Arbeitnehmer sind der Meinung, dass ihre Vorgesetzten sich nicht um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden kümmern. (One4All)
  • 43 % von über 2.000 Mitarbeitenden geben die Unternehmenskultur als Hauptgrund dafür an, warum Sie einen Jobwechsel anstreben. (Quelle: Hays)
  • Mehr Empathie des Vorgesetzten würde 92 % aller Mitarbeitenden dazu veranlassen, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben. (Quelle: Businesssolver)
  • Rund 28 % denken an eine Kündigung aufgrund der Führungskraft. (Quelle: Forsa Umfrage im Auftrag von Porsche Consulting 2020)

Warum scheitern Führungskräfte häufig oder warum wenden sich Mitarbeitende von ihnen ab? Hier vier Stolpersteine, die es aus dem Weg zu räumen gilt:

Stolperstein 1: Person vs. Position

Die Wirklichkeit: Wenn eine leitende Position neu zu besetzen ist, kommt es häufig vor, dass auch unternehmensinterne Bewerbende zur Auswahl stehen. Praktisch, denkt sich da das Management. Immerhin spart man sich so die Einarbeitungszeit und die Leute kennen sich aus. Und wenn die interne Bewerbung dann noch direkt aus der betreffenden Abteilung kommt? Umso besser. Oder?

Die Gefahr: Wird eine Person aus einem bestehenden Team heraus zur Führungskraft gemacht, kann ein Verhältnisproblem entstehen. Was oft unterschätzt wird: Oft hat die dann neue Führungskraft nach Übernahme der neuen Position keine Möglichkeit, die bisher behandelten operativen Aufgaben vollständig abzugeben. Neue Aufgaben obendrauf kippen, aber unten nichts wegnehmen? Dieser Spagat sorgt schnell für Überforderung und unzureichenden Ressourcen für die eigentlichen Führungsaufgaben. Das Team fühlt sich vernachlässigt, führungslos und unzufrieden. Die Konsequenz im worst case: (Innere) Kündigung, eine gewisse Gleichgültigkeit und enormer Produktivitätsverlust.

Eine Lösung: Führungsaufwand anerkennen und von Anfang an berücksichtigen. Die Aufgaben der Führungsposition und die dafür benötigten Skills müssen deutlich definiert werden. Wird auf dieser Grundlage eine passende Person gefunden, müssen ihr die Freiheit und Verantwortung übertragen werden. Handelt es sich dabei um eine Besetzung aus den eigenen Reihen, muss klar geregelt sein, welche bisherigen Zuständigkeiten zukünftig wegfallen und an andere (neue) Teammitglieder gehen müssen.

Stolperstein 2: Mangelnde Lernkultur im Team

Die Wirklichkeit: Führungskräfte sehen sich regelmäßig der Fragestellung gegenüber, wem sie eine Fortbildung genehmigen. Und egal, ob diese in Präsenz, auf einem Kongress oder als Online-Schulung stattfindet: Sie kostet dem Unternehmen Geld. Budget für die Wissenserlangung des eigenen Teams? Muss oft erstmal eingefordert werden.  Woher kommt es, wer entscheidet darüber konkret, wie viel wurde schon verbraucht? Unklarheit, fehlende Kommunikation und lange Prozesse bis zur Entscheidungsfindung sorgen für zahlreiche Hürden im Weiterbildungsprozess.

Die Gefahr: Es dauert einfach zu lange: Die Mitarbeitenden sehen für sich kein Weiterkommen und keine Entwicklung. Oft geht dies auch einher mit der subjektiven Wahrnehmung der Mitarbeitenden, dass es kein Gemeinschaftsgefühl und kein Zusammenhalt und ein Miteinander im Team oder der Abteilung gibt. Oft werden auch nur einzelne Personen auf Fortbildungen geschickt. Die Konsequenz:  Neid und Missgunst, weil eine Bevorzugung vermutet wird, auch wenn die Gründe sehr vielfältig sein können, warum einzelne Personen sich weiterbilden dürfen. Oft wird auch Lernkultur verwechselt mit Wissensmanagement.

Die Lösung: Lernkultur beschreibt die Einstellungen, Werte und Praktiken einer Organisation in Bezug auf das Lernen. Eine positive Lernkultur unterstützt Offenheit für neue Ideen (Innovationsmanagement), Fehler als Chancen (funktionierende Fehlerkultur) zu verstehen und eine kontinuierliche Verbesserung der Kompetenzen.

Die Lernkultur im Unternehmen und in einem Team ist sehr wichtig für das Weiterkommen des Unternehmens und das Erreichen von strategischen Zielen. Wenn es in einem Unternehmen keine ausgeprägte Lernkultur gibt, wird nicht in das Wissen der Mitarbeitenden investiert.

Stolperstein 3: Fehlende Priorisierung von Wissensmanagement

Die Wirklichkeit: Die Produktivität steht immer über der Dokumentation. Heißt im Arbeitsalltag oft: Die Erledigung der Aufgaben hat kurzfristig immer Priorität, sodass Transparenz und das Teilen von Wissen untereinander immer nachrangig betrachtet werden. Es gibt keinen zentralen Ort der Ablage, Wissen ist nicht auffindbar und niemand fühlt sich zuständig. Mit einem einfachen Hinweis der Führungskraft auf die Pflicht der Dokumentation ist es also nicht getan.

Die Gefahr: Isoliertes Wissen. Eine Führungskraft muss sicherstellen, dass alle Informationen, alles Wissen, was für die Aufgaben der Mitarbeitenden in irgendeiner Art und Weise relevant ist, zur Verfügung steht. Eine Silo-Bildung ist für das Team bzw. für das Unternehmen kontraproduktiv. Sollte die eine Person ausfallen, die ein bestimmtes Wissen innehat, dann kann es zu einem Stillstand im Unternehmen kommen. Wissen muss deshalb unbedingt geteilt und weitergegeben werden. Wenn nur wenige über das benötigte Wissen verfügen, es andere Mitarbeitende aber benötigen, beeinträchtigt dies die Produktivität des Unternehmens enorm.

Die Lösung: Echtes Wissensmanagement. Unabhängig von externen Fortbildungen kann eine gute Führungskraft für optimales Wissensmanagement untereinander sorgen. Wer strategisch dafür sorgt, dass Wissen untereinander geteilt, dokumentiert und auffindbar gemacht wird, sorgt für dauerhafte Weiterbildung untereinander und lässt das Unternehmen zu einer aus sich heraus lernenden Organisation werden, in der Mitarbeitende motiviert statt frustriert sind und nie stehenbleiben.

Stolperstein 4: Intransparenz der Führungskraft

Die Wirklichkeit: Intransparente Kommunikation. Führungskräfte erhalten zahlreiche Informationen. Werden diese langfristig zurückgehalten und nicht sinnvoll an Mitarbeitende kommuniziert, ist dies kontraproduktiv für die Organisation. Die Führungskraft baut sich dadurch einen sogenannten „Wissensvorsprung“ auf und baut damit bewusst oder unbewusst eine Art Machtstellung aus. Erhalten Mitarbeitende relevante Informationen oder To Dos dadurch nicht oder erst verspätet, können Aufgaben schwerer erledigt werden und zu Frust im Team führen.

Die Gefahr: Die Führungskraft baut ein unternehmerisches Silo-Wissen auf. Das kann zur Folge haben, dass die Mitarbeitenden Entscheidungen nicht nachvollziehen können oder erledigte Aufgaben im Nachhinein über den Haufen geworfen werden, weil die Lösung der Aufgabe nicht mehr zur erneuerten Ausrichtung passt. Die Führungskraft verteilt hier nur selektiv Informationen, was auch zu unterschiedlichen Wissensständen unter den Mitarbeitenden führen kann. Folglich diskutieren die Mitarbeitenden untereinander über mögliche Zusammenhänge und haben ein Verständnis- und schließlich ein Motivations- oder auch Kulturproblem.

Eine weitere Gefahr kann sein, dass bei den Mitarbeitenden ein Gefühl von Minderwertigkeit aufkommt, weil sie nicht in Entscheidungsprozesse und Ausrichtungen mit einbezogen werden und ihnen kein Vertrauen geschenkt wird.

Die Lösung: Sinnvoll Wissen teilen. Führungskräfte sollen ihre Mitarbeitende über alle die Mitarbeitenden betreffenden Entwicklungen im Unternehmen oder in Projekten informieren, weil es so zu einem Miteinander kommen kann. Die Mitarbeitenden fühlen sich eingebunden und können sich im unternehmerischen Entwicklungsprozess mit einbringen. Die Führungskraft ist bei einem positiven Beispiel auch als Moderator und Vermittler unterwegs, um einerseits Wichtiges an die Mitarbeitenden und andererseits deren Meinung an das obere Management weiterzugeben. So findet ein übergreifender Dialog im Unternehmen statt, der positive Auswirkungen auf das ganze Unternehmen und auch auf die Loyalität der Mitarbeitenden selbst hat. Sie erkennen einen Sinn in ihrer Arbeit, verstehen die Strategie hinter Entscheidungen, fühlen sich ernstgenommen und wertgeschätzt und gestalten das Unternehmen aktiv mit.

Fazit

Zurück zur Anfangsfrage: Braucht ein Unternehmen noch Führungskräfte in der mittleren Managementebene?

Ja, sofern die typischen Fuck-ups vermieden werden. Wenn die Rolle sinnvoll besetzt und vor allem in die Unternehmenskultur eingebettet ist, hat mittleres Management das Potenzial, die Mitarbeitenden zu mehr Produktivität, Zufriedenheit und Verbundenheit zum Unternehmen zu verhelfen. Wer die richtige Person findet und dann auch sinnvoll begleitet und weiterentwickelt, kann sich auf positive Veränderungen freuen.

Die Unternehmenskultur kann maßgeblich zum Erfolg einer Führungskraft und der gesamten Organisation beitragen. Werden die gemeinsam entwickelten Werte konsequent gelebt, können sich nicht nur die Teammitglieder, sondern auch die Führungskräfte kontinuierlich weiterentwickeln.

Die Aufgaben und Herausforderungen einer Führungskraft haben bzw. werden sich ändern aufgrund einer sich weiterentwickelnden Unternehmenskultur.

Nach einer kleinen Einführung und den Stolpersteinen einer Führungskraft wollen wir im zweiten Teil auf die neuen Herausforderungen von Führungskräften schauen. Welchen Einfluss haben gesellschaftliche Entwicklungen und auch unternehmerische Herausforderungen am sich immer schneller verändernden Markt? Bleibt gespannt. Der zweite Teil kommt Anfang September.

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