Vor wenigen Wochen hat Microsoft in Bing die Bilder-KI Dall-E 3 integriert. Diese kann aus textlichen Anregungen erstaunlich gute Bilder erstellen. Dabei kann es gar nicht verrückt genug zugehen. Eine kleine Anregung? Donald Duck sitzt mit Brille am Schreibtisch, regelt seine Finanzen und trinkt eine Dose Cola? Bitteschön!
Auf Social Media und ganz besonders auf LinkedIn gehen derzeit nicht nur fragwürdige Texte, sondern ebenso fragwürdige Bilder um. Ja, sie sind mehr oder weniger witzig, aber der Zauber der ersten durch KI erstellten Bilder ist ansatzweise verflogen.
Als nachhaltig denkender Mensch ist das gleich doppelt schade. Denn einerseits wird der ökologische Fußabdruck von Social Media noch größer (auch die Erstellung der Bilder verursacht ebenso wie das Absenden eines Posts CO2), andererseits wird das Medium Bild stark entwertet, da nahezu jedes Motiv möglich ist und von jedem überall verwendet werden kann. Darunter auch Kreationen, die man lieber nicht gesehen hätte.
Vergleichbar mit den Panini-Bildern, die man als Kind am Ende einer Fußball-WM immer zu Hunderten übrig hatte und deswegen einfach überall hinkleben möchte. Nur um kurz darauf zu bereuen, dass man jetzt Michael Ballack auf der Rückseite der Zimmertür kleben hat und seinen aggressiven Blick auf den vor ihm kullernden Fußball vermutlich nie wieder loswird.
„Liebe Community, heute möchte ich meine Begeisterung für KI teilen […]“
Dieser Satz kommt Ihnen bekannt vor? Er ist mittlerweile eine Art Standardeinstieg für von ChatGPT geschriebene LinkedIn-Beiträge. Warum ist das so? Eine Sprach-KI lernt, am liebsten Wörter zu verwenden, die Menschen in den sozialen Medien häufig verwenden. Die KI mimt somit beinahe DEN „idealen“ Social-Media-Influencer. Und wir sind damit in die paradoxe Situation geraten, dass viele Beiträge, die die KI schreibt, gleich gut oder eher gleich schlecht und immer recht seelenlos sind.
Natürlich klingen auch Beiträge von menschlichen Influencern nicht selten nach aneinandergereihten Worthülsen, die scheinbar nur darauf abzielen, überhaupt etwas gesagt zu haben oder irgendeine Reaktion bei Leser*innen hervorzurufen. Ironischerweise haben die aktuellen Sprachmodelle aber nun an genau diesen Beiträgen gelernt, und wir staunen und lachen über die Folgen.
Von Anfang an dabei
Doch bevor wir von ChatGPT lernen konnten, musste ChatGPT von uns lernen. Wir schreiben das Jahr 2018 und ich stehe zeitlich zwischen zwei Jobs. Um mich aber nicht vollständig mit mir und der freien Zeit rumschlagen zu müssen, bewerbe ich mich als Freelancer bei einem internationalen Unternehmen per Skype-Call als sogenannter Social-Media-Evaluator.
Was das ist und was meine Aufgaben sein werden, war mir zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht ganz klar, aber immerhin hatte ich folgende Eckdaten: Ich brauche nur einen Computer und Internet, habe idealerweise redaktionelle Erfahrung und bekomme einen überdurchschnittlichen Stundenlohn. Toll!
Damit begann eine kurze Reise durch internationale Bewerbungscalls mit Personen in Australien, Multiple-Choice-Tests und Assessment Centers, die schließlich im Erfolg meines Freelancer-Zugangs zum firmeneigenen „Evaluation-Tool“ endete. In diesem Tool staunte ich zunächst nicht schlecht: Mir wurden private und deutsche Facebook-Posts oder Beiträge aus Gruppen gezeigt, die ich in eine von circa 10 Kategorien einordnen sollte, darunter Einordnungen wie „Hilferuf“, „Persönliches“ oder „Verkauf“. Und stelle fest, dass waren doch dieselben Multiple-Choice-Aufgaben wie in meinem Bewerbungstest. Auch damals fragte ich mich schon, was das Ganze soll und wer genau mit diesen Infos etwas anfangen soll.
Die Antwort weiß ich erst, seitdem ich eine Dokumentation über die Entwicklung künstlicher Intelligenz gesehen habe: Ich habe mit meinem Job tatsächlich eine oder sehr wahrscheinlich gleich mehrere Sprachmodelle, also KIs, trainiert.
Zwei Dinge sind mir aus dieser Zeit besonders im Kopf geblieben: Die Bezahlung war tatsächlich fantastisch und unkompliziert, die Arbeit an sich aber eher stumpf und ermüdend. Morgens nach dem Aufstehen 2 Stunden evaluieren, mittags 4 und abends nochmal 2 Stunden. Zum Überbrücken einer absehbaren Zeit war das eine tolle Option, aber irgendwann musste dann doch wieder etwas Forderndes her.
Man sagt, dass man erntet, was man sät, und so kommt es, dass 5 Jahre später die (unter anderem) von mir trainierte KI so manchem Berufsfeld gefährlich nahe auf die Pelle rückt. Copywriter bekommen durch KI nicht nur Unterstützung, sondern auch direkte und kostenlose Konkurrenz, und ganz entfernt bin ich ein bisschen mitschuldig.
Und nebenbei wieder ein paar Start-Ups ausradiert
Noch während ich an diesem Text schreibe, kündigt ChatGPT an, dass nun auch PDFs in den Chat geladen werden können und diese als Informationsgrundlage dienen können. Man kann nun mit seinen eigenen PDF-Dateien chatten und sich diese zusammenfassen oder auswerten lassen. Mir fallen spontan gleich zwei Start-ups ein, die dieses Prinzip (beide basierend auf ChatGPT) mehr oder weniger teuer verkauft haben und somit mal eben redundant wurden: Intellippt oder Summarizer zum Beispiel.
Pech gehabt, könnte man sagen, denn bei derartigen Tools wurde eine wichtige Grundregel nicht beachtet: Mache dich niemals vollständig abhängig von einem Service. Fast alle vergleichbaren Start-ups, die unter die Räder der KI geraten sind, hatten eines gemeinsam: Sie basierten vollständig auf der Logik von ChatGPT. Da der Dienst aber selbst noch kontinuierlich weiterentwickelt wird, kann man natürlich nie ausschließen, dass die eigene Funktion nicht noch ergänzt wird.
Ein ähnliches Schicksal ereilt aktuell Produkt-Suchmaschinen und Preisvergleiche, welche von Googles Suchalgorithmus und Amazons Produktkatalog abhängig sind. Mit der Einführung von Google Shopping und Amazons Trusted Sources Reviews sind diese nämlich weitestgehend überflüssig geworden. Google erledigt den Preisvergleich einfach direkt selbst und Amazon zeigt Profi-Rezensionen direkt auf der jeweiligen Produktseite an. Praktisch für den User. Google und Amazon müssen ihren Traffic dann auch nicht mehr mit diesen lästigen Mitbewerber*innen teilen.
Trotzdem ergeben sich, dank KI, viele neue und sehr spannende Geschäftsfelder. KI ist gekommen, um zu bleiben, und je schneller wir die Vorteile und Möglichkeiten der Technologie erkennen, desto mehr können wir von ihr profitieren.
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