Skip to main content

Kaum jemand, der heute mobil telefoniert, nutzt dafür noch ein „einfaches“ Mobiltelefon. Smartphones haben sich Dank Bedienbarkeit, großer Displays und vor allem aufgrund der Zusatzfunktionen durchgesetzt und sind aus unserem Alltagsleben kaum mehr wegzudenken. Möglich wurde der Siegeszug der Smartphones durch das, was sich hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt: die konsequente Nutzung und Kombination verschiedener digitaler Basistechnologien wie Geolokation, Datensammlung und -auswertung, GPS, nehzu ubiquitärer Verfügbarkeit von (schnellem) Internet und einigen weiteren.

 

Wenn wir heute unsere Wetter-App befragen, wie warm es in den kommenden Tagen an unserem nächsten Urlaubs- oder Geschäftsreiseziel wird, nutzen wir ganz selbstverständlich die Segnungen der Digitalisierung. Wer würde darauf noch gern verzichten? Ein Bahnticket buchen, beim Boarding am Flughafen den QR-Code auf den Scanner legen, die abonnierten Nachrichten-Kanäle durchstöbern, kurze eine Nachricht an die Kinder senden oder die von der Fitness-App vorgeschlagenen Übungen absolvieren: Wir sind digital. Und ich behaupte: Wir sind es gerne.

 

Nur in der Arbeitswelt scheint dies ander zu sein. In der Beratung erleben wir heute viele Mitarbeiter, die fast schon reflexhaft abwinken, wenn das Gespräch auf Digitalisierung kommt. Für viele ist es „die nächste Sau, die das Management durchs Dorf treibt“, dicht gefolgt von anderen Hype-Themen wie Agilität. Aber auch unter den Unternehmern lässt sich keine durchgängige Begeisterung für das Thema Digitalisierung erkennen. Woran liegt das? Hierzu drei Thesen:

 

Digitalisierung löst Ängste aus

Zweifelsohne hat die Digialisierung massenhaft Jobs geschaffen. Bevor 2007 das erste iPhone auf den Markt kam, gab es das Berufsbild des App-Entwicklers noch gar nicht. Heute gibt es allein im Google Play Store 3,1 Millionen verfügbare Apps (Stand August 2017). Nimmt man Apple hinzu, stehen derzeit gut 5 Millionen Apps zur Verfügung. Der Großteil dieser Apps wurde von Menschen programmiert. Gleichzeitig hat Digitalisierung Arbeitsplätze, ja ganze Berufsbilder vernichtet oder zu ihrem schnelleren Niedergang beigetragen. Wie bei jeder technischen Revolution fallen auf der einen Seite Arbeitsplätze weg, auf der anderen entstehen sie. Droschkenfahrer wurden durch Autos verdrängt, Schriftsetzer durch Computerisierung in der Medienwelt. Das Problem ist, dass die Menschen, die im Rahmen des technologischen Fortschritts ihren Arbeitsplatz verlieren, meist nicht die sind, die auf die neu entstandenen Job-Profile umschwenken können. Auch bei der Digitalisierung zeichnet sich dieser Trend ab: Routinearbeiten, für die eine eher geringe Qualifikation erforderlich ist, werden in größerem Umfang wegfallen, während die neu entstehenden Jobs vor allem spezialisierte Tätigkeiten umfassen werden, die eine hohe Qualifikation verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn Menschen der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen. Sie wissen einfach nicht, wie die Frage „What’s in for me?“ beantwortet würde. Also stellen sie sie lieber gar nicht und verweigern sich.

 

Es gibt eine generelle Veränderungsresistenz

Kaum ein Thema wird heute so stark in Verbindung mit dem Wort „Geschwindigkeit“ gebracht, wie Digitalisierung. Tatsächlich gibt es einschlägige Untersuchungen mit entsprechend beeindruckenden Verlaufskurven, die eine enorme Zunahme tiefgreifender technischer Innovationen in immer kürzeren Zeitabständen konstatieren. Zudem erleben viele Mitarbeiter in Unternehmen in ebenfalls kürzer werdenden Abständen Re-Organisationen und andere Veränderungen. Gleichzeitig wandeln sich Arbeitskulturen: Traditionelle, stark hierarchiebetonte Arbeitsmodelle werden nach und nach abgelöst durch neue, bei denen Selbstorganisation groß geschrieben und an die Eigenverantwortung der Mitarbeiter (gerne mit „Seien Sie Unternehmer im Unternehmen“) appeliert wird. Die klassische Berufsbiographie mit einem, maximal zwei Arbeitgebern im gesamten Arbeitsleben, hat ausgedient. Wir erleben gerade diesen, auch generationsbedingten, kulturellen Wandel in den Unternehmen. Und wir treffen auf viele Mitarbeiter, die noch aus den alten Arbeitswelten stammen und für die all das Neue nicht automatisch reizvoll ist, im Gegenteil. Halten wir also fest: Der Arbeitsplatz ist kein Garant für Stabilität (mehr), sondern wird mehr und mehr zu etwas dynamischen. Und dann kommt auch noch die Digitalisierung um die Ecke… Es gibt Menschen, die das alles lieben. Bei vielen löst es Sorge aus.

 

Es gibt eine gefühlte Inkompetenz

Fragen Sie zehn Unternehmer danach, was Digitalisierung bedeutet, und sie bekommen zehn unterschiedliche Antworten. Vielleicht sind es sogar weniger, weil es einigen gar nicht möglich ist, so etwas wie eine Definition überhaupt zu formulieren. Noch schwieriger wid es, wenn Sie danach fragen, was Digitalisierung für das eigene Unternehmen bedeutet und wie die entsprechende Strategie dazu aussieht. In den vergangenen zwei Jahren hat nahezu jede Untersuchung zum Thema Digitalisierung in Deutschland ermittelt, dass Manager und Unternehmer sich sicher sind, dass Digitalisierung für das eigene Unternehmen eine hohe Bedeutung hat. Gleichzeitig waren sie davon überzeugt, dass ihr Unternehmen hierfür nicht ausreichend aufgestellt ist. Digitalisierung ist „Buzz-Word“, Modewort, Label für „Technisches“ und insofern eine Art Restkategorie für alles, was irgendwie mit Computern und Daten zu tun hat. Und sie entwickelt sich, wie schon erwähnt, in rasantem Tempo weiter. Wann ist für mich als Unternehmer/Manager der richtige Zeitpunkt, um innezuhalten? Um Digitalisierung zu verstehen? Um eine Strategie dafür zu entwickeln? Und wenn ich es tue, ist dann nicht alles schon wieder ganz anders, wenn ich mit der Strategie fertig bin? Viele Unternehmer fühlen sich in diesem Thema nicht wirklich sicher, geschweige denn zuhause. Was liegt näher, als sich weiterhin auf das zu konzentrieren, was man kann: die eigene Produktpalette weiterentwickeln oder eine neue Vertriebskampagne starten?

 

Somit ist klar, dass die Digitalisierung die Unternehmen insgesamt vor eine Herausforderung stellt. Wie kann diese gemeistert werden? Auch hierzu drei Thesen:

 

Jedes Gestalten ist besser als abwarten

Der deutsche Mittelstand steht im Ruf, innovationsstark und flexibel zu sein und gerade dadurch im internationalen Vergleich stets wettbewerbsfähig geblieben zu sein. Diese Fähigkeiten werden auch beim Thema Digitalisierung benötigt – und sie sollten zum Einsatz kommen, denn: Digitalisierung ist in ihrer Bedeutung mit den anderen großen technologischen Umwälzungen (Elektrifizierung, Mobilisierung, Computerisierung) vergleichbar. Das bedeutet, dass sie bereits dabei ist, unseren Alltag tiefgreifend und umumkehrbar zu verändern. Mit anderen Worten: Es kann nur um das Wie gehen, nicht um das Ob. Das Wie sollten wir gestalten. Und es gibt inzwischen eine ganz Reihe ermutigender Beispiele, auch aus Deutschland, die zeigen, wie Digitalisierung positiv genutzt werden kann.

 

Eine ganzheitliche Strategie ist besser als eine Technologie-Offensive

Die Möglichkeiten, die sich durch Digitalisierung ergeben sind so vielfältig, dass schon dieses Thema allein als „komplex“ bezeichnet werden kann. Stellen wir es noch in den Kontext von sich verändernden Arbeitskulturen, erhöht sich die Komplexität weiter. Dazu kommt: Während die Veränderung von Arbeitskulturen auch ohne Digitalisierung voranschreitet, wird dieser kulturelle Wandel durch Digitalisierung noch beschleunigt. Um nur zwei simple Beispiele zu nennen: Wenn die Daten in der Cloud sind und jeder Mitarbeiter von überallher auf alles Notwendige zugreifen kann, wozu soll er dann noch von 9-17 h an seinem Büroarbeitsplatz sein?  Wenn die Maschinenwartung durch Datenbrillen einfacher wird, wiesol soll der Techniker dann nicht auch Vertriebsdaten eingespielt kommen und vor Ort Informationen über neue Produkte an den Kunden bringen? Gerade weil die Komplexiät so hoch ist, sollte eine Strategieentwicklung immer alles in den Blick nehmen: die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und ihre Nutzung für das eigene Unternehmen UND die Auswirkungen dessen auf die eigene Unternehmenskultur.

 

Die Haltung macht den Unterschied

Ein Thema verändert sich, je nachdem, aus welcher Perspektive wir darauf schauen. Nähere ich mich der Digitalisierung aus der Perspektive des „Wir machen mal das Nötigste“, werde ich eine andere Strategie entwickeln, als wenn ich mich aus der Perspektive des „Entdecke die Möglichkeiten“ darauf zubewege. Es ist unsere Haltung, die unseren Umgang mit Herausforderungen bestimmt. Haltung ist gleichzeitig das, was unsere Arbeitskultur bestimmt. Denn Kultur entsteht aus gelebten Werten, und die sind nichts anderes als Ausdruck unserer Haltung gegenüber der Welt, gegenüber anderen Menschen und eben den Herausforderungen der Arbeitsumgebung. In einer Kultur des „Das haben wir hier noch nie gemacht“ und „Ich bin bislang auch gut ohne ausgekommen“ wird Digitalisierung nicht gedeihen. Auf der anderen Seite gehört Augenmaß zum Umsetzen neuer, digitaler Geschäftsmodelle oder bei der Digitalisierung der eigenen Wertschöpfungsprozesse. In vielen Fällen werden Tätigkeiten wegfallen. Was passiert mit den Menschen, die sie bislang verichtet haben? Vor allem aber: Wie nehme ich meine Mitarbeiter mit auf die Reise? Wie spreche ich sie an, wie vermittle ich den Sinn und was muss passieren, damit sie die sich verändernden Strukturen, Abläufe und Möglichkeiten aktiv gestalten und nutzen? Hierauf eine Antwort zu finden gehört auch zur Digitalisierung. Bringen wir alles zusammen, kann aus einem Thema, das gerade en vogue ist, eine langfristig erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensstrategie entstehen.

 

 

Unternehmertag 2017

 

 

 

Der Unternehmertag im Rahmen der #DiWoKiel beschäftigt sich mit den Fragen, die in diesem Beitrag angesprochen wurden.  Von der Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie über den Kulturwandel bis hin zu Fördermöglichkeiten. Seien Sie dabei! Sie sind herzlich eingeladen. Hier geht es zur Anmeldung.

 

 

Dr. Peter Schottes | Geschäftsführer

Peter Schottes, Geschäftsführer Eisenschmidt Consulting Crew

Dr. Peter Schottes ist seit 2006 Geschäftsführer und Gesellschafter des international tätigen Beratungsunternehmens Eisenschmidt Consulting Crew GmbH. Er ist Spezialist für strategisches Change Management in Konzernen und im Mittelstand. Die zentralen Beratungsmodelle MAIN 7 und Corporate Flow hat er gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin eigens dafür entwickelt.

In seinem politisch-wirtschaftlichen Netzwerk setzt er Zukunftsthemen rund um das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit um. Als Mitglied der AG Wirtschaft ist er Mitgestalter der Digitalen Woche Kiel. Zudem berät er mittelständische Unternehmen zur Erstellung und Umsetzung von Digitalisierungsstrategien

Kommentiere den Beitrag

Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter

Jetzt zum Dicide Newsletter anmelden und monatlich Tipps & Tricks für modernes Arbeiten sichern!